Preistreiber

In England kommt nur noch ins Stadion, wer es sich leisten kann die astronomischen Preise für Eintrittskarten zu bezahlen. Zwar sind wir in Deutschland noch meilenweit von Preisniveau auf der Insel entfernt, doch es gibt auch hierzulande bereits erste ernstzunehmende Entwicklungen in die falsche Richtung.

Wer kurzfristig noch eine Karte für ein Bundesligaspiel ergattern will oder beim Vorverkauf leer ausgegangen ist, für den gibt es im Internet noch eine Anlaufstelle, wo man sich berechtigte Hoffnungen auf Tickets machen kann – falls man denn bereit ist, das dafür nötige Kleingeld auf den Tisch zu legen. Die Rede ist von der Internetplattform Viagogo, wo Tickets für Veranstaltungen jeglicher Art ge- und verkauft werden können. So besitzt diese Form des Tickethandels zweifelsohne Vorteile, die direkt einleuchten: einerseits haben Leute, die ein Event kurzfristig doch nicht besuchen können, die Möglichkeit ihre Eintrittskarten noch loszuwerden und andererseits können dafür andere Leute der Veranstaltung beiwohnen. Es findet somit eine Umverteilung statt, die sowohl den Verkäufer, als auch den Käufer besser stellt. Im wirtschaftlichen Jargon würde man hierbei von einer „pareto-effizienten“ Verteilung sprechen. Doch genug des Lobes.

Schon seit längerem arbeitet Viagogo offiziell mit Vereinen zusammen, so auch mit dem deutschen Branchenprimus FC Bayern. Der chronisch ausverkaufte Rekordmeister hat sich dabei natürlich auch etwas gedacht, denn einerseits konnte somit der vor allem auf ebay florierende Schwarzmarkt eingedämmt werden und andergegen-viagogoerseits sprang für die Münchener dabei auch noch der ein oder andere Euro heraus. Was jedoch nicht heißen soll, dass auf Viagogo alles mit rechten Dingen zugeht. Die Internetplattform ist mittlerweile der Arbeitsplatz vieler professioneller Ticketverkäufer geworden. Diese Spezies reißt sich im Vorverkauf massenhaft Karten unter die Nägel, um diese dann vielfach teurer im Internet anzubieten. Und auch Viagogo profitiert davon: das Unternehmen lässt sich den Service mit horrenden Gebühren bezahlen, die der Käufer zusätzlich zum überteuerten Kaufpreis zu entrichten hat. Vor allem im Zuge des letztjährigen Champions League-Finals äußerten dann auch zahlreiche Anhänger der Bayern ihren Unmut über die Zusammenarbeit des eigenen Vereins mit Viagogo. Es wurde in der Folge vom Verein zwar untersagt, Tickets aus dem Kontingent der Bayern für das Finale im Internet zu versteigern, z.B. über ebay, doch der Weiterverkauf über den offiziellen Partner Viagogo stellte kein Problem dar. Konsequenterweise belegte der FC Bayern die schwarzen Schafe, die es dennoch nicht lassen konnten, Tickets im Internet versteigern zu wollen, mit einer Aberkennung der Mitgliedschaft (denn nur Mitglieder konnten Tickets für das Finale erwerben) und einem lebenslangen Ausschluss aus dem Verein. Andere, die sich mit dem Verkauf über Viagogo schön etwas dazu verdienten, blieben ungestraft, denn die Internetplattform war ja schließlich Partner des Vereins. Doch mittlerweile hat der Verein darauf reagiert und wird die Kooperation mit dem Internetanbieter, die diesen Sommer ausläuft, nicht verlängern.

Fans anderer VviaNOgoereine steht in Bezug auf Viagogo der ganze Ärger noch bevor: so stehen aktuell die Fans des FC Schalke und des Hamburger SV im Fokus. Anhänger der Königsblauen starteten jüngst die Initiative „viaNOgo“ und in der Hansestadt erreichten die Fans, dass der Klub seine Partnerschaft mit der Internetplattform nach nur einem Jahr im Sommer wieder beenden wird. Auf Schalke hatte man weniger Verständnis für den Ärger der Fans übrig. So wurde seitens der Vereinsführung eine für das Heimspiel gegen Fortuna Düsseldorf geplante Unterschriftenaktion untersagt, die die wütenden Schalker Anhänger dennoch durchführen wollen. Sie klagen, dass der Verein die Interessen seiner Fans hinter finanzielle Interessen eines zukünftigen Geschäftspartners stellen würde. Und dabei haben die Schalker Fans vollkommen recht, denn ab Sommer soll Viagogo für jedes Spiel der Schalker ein Kontingent über 300 Karten bekommen, dass dann mit bis zu hundertprozentigem Preisaufschlag zuzüglich Gebühren verkauft werden soll. Auch eine vereinseigene Ticketbörse, wo Restkarten bisher zum normalen Preis weiterverkauft werden können, soll ähnlich wie bei den Bayern künftig von Viagogo betrieben werden.

Wie in der aktuellen Ausgabe (#136) von 11Freunde zu lesen ist, regt sich auch auf der Insel Widerstand gegen Viagogo. Jüngst enthüllte ein Bericht der BBC die dunklen Machenschaften der Internetplattform, die gegen die Ausstrahlung gerichtlich geklagt hatte. Ein Schelm, wer dabei Böses denkt. Außerdem strebt das Unternehmen laut dem Bericht von 11Freunde langfristig eine Etablierung eines „dynamic pricing“ an: soll bedeuten, dass die Tickets immer teurer werden, je näher das Spiel rückt. Schlussendlich führt das dazu, dass sich die Fans so früh wie möglich Karten sichern wollen, was den Vereinen volle Stadien und eine noch vollere Kasse garantiert. Dass dabei der Fan, der nicht mehr als ein solcher, sondern nur noch als Konsument wahrgenommen wird, damit ein Problem haben könnte, stört Viagogo mit Sicherheit nicht, aber auch einige Vereine könnte das in Anbetracht finanzieller Vorteile kalt lassen. Dabei vergessen die Akteure, die nur noch durch finanzielle Interessen geleitet werden, jeviaNOgo2doch, dass Fußball ein Sport ist, der ganz besonders durch seine Fans lebt. Somit möchte man zunächst denken, dass es für die Anhänger eigentlich leicht sein sollte, den eigenen Verein unter Druck zu setzen und die eigenen Interessen erfolgreich artikulieren und durchsetzen zu können. Doch das Problem ist hierbei, dass der Fußball in den letzten Jahren so an Popularität gewonnen hat, dass es immer irgendwelche Leute, egal ob treue Seele oder Mode-Fan, geben wird, die bereit sind für ein Ticket Unsummen an Geld auszugeben. Initiativen wie z.B. „Kein Zwanni“ in Deutschland oder die „Football Supporters‘ Federation“ unter dem Motto „Twenty’s Plenty“ in England kämpfen für bezahlbare Tickets. Schließlich hat es den Fußball auch schon immer ausgemacht, dass er ein Sport für alle und jeden ist. Auf den Rängen ein Querschnitt durch die Bevölkerung, wie er heterogener kaum sein könnte. Dies ist allerdings nur möglich, wenn Tickets für jedermann bezahlbar bleiben. Ansonsten bleibt der Stadionbesuch den Wohlhabenden vorenthalten und die ärmeren Fans werden sich in Kneipen vor den Fernsehgeräten scharen. Somit stellen auch hierzulande steigende Ticketpreise und Preistreiber wie Viagogo stellen eine ernstzunehmende Gefahr dar. Was von der in England einst blühenden Fankultur übrig geblieben ist, konnte man jüngst beim Gastspiel der Bayern im Emirates-Stadium, dem teuersten Stadion auf der Insel, ernüchternd feststellen. Keine Spur von Atmosphäre, die Gästefans beherrschten die Stimmung. Wer sich in Deutschland englische Verhältnisse wünscht, der mag Fan von Fußball als Unterhaltung sein, aber nicht Fan des Sports, der sich an Idealen orientiert, die man sich nicht einfach so kaufen kann. Nicht einmal auf Viagogo.

Hier noch ein Hinweis auf ein brandaktuelles Interview auf 11Freunde.de:
Schalke-Fans gegen Viagogo