Der ewige Oka

Durch die Verletzung von U-21 Nationaltorhüter Kevin Trapp wird das Eintracht-Urgestein Oka Nikolov für den Rest der Saison das Tor der Frankfurter hüten. Am Sonntag in Fürth wird er seine Rückkehr feiern. Ein Portrait der treuen Seele der Frankfurter Eintracht.

„Marmor, Stein und Eisen bricht, aber unser Oka nicht.“ Diesen Gesang wird man von den Anhängern der SGE in den restlichen Spielen dieser Saison noch öfter hören. Er ist eine Hommage an den nunmehr dienstältesten aktiven Profi der Bundesliga. Nikolov ist das, was man eine Legende nennt. Er spielte bereits bei Eintracht Frankfurt, da war mir der Fußball noch fremd, und ich wahrscheinlich sogar meinen Eltern. Schon seit 1991 spielt der Man, der meist ein gelbes Trikot trägt, oka-old in Frankfurt, damals noch in der Jugend. Ab 1992 stand der Deutsch-Mazedonier, der in Hessen geboren ist, im Tor der Eintracht-Amateure und ab 1994 dann auch im Kader der Profis. Als Stammtorhüter Andreas Köpke die Frankfurter nach deren ersten Abstieg aus der Bundesliga 1996 verließ, hatte die Stunde von Oka Nikolov geschlagen. Fortan war er der Mann zwischen den Pfosten bei der Diva vom Main und bis heute absolvierte er 371 Spiele in der 1. und 2. Bundesliga für die Eintracht-Profis. Nimmt man Spiele im DFB-Pokal, für die Jugend und die Amateure der Eintracht hinzu sind es fast 500 Spiele, in denen er für den Verein das Tor hütete. Falls sich jemand in besonderer Weise für die Zeit interessiert, seit der man die SGE in gewisser Weise als einen Fahrstuhlverein bezeichnen kann, der sollte sich an den Deutsch-Mazedonier wenden. Schließlich ist er der einzige Spieler, der alle Ab- und Aufstiege (jeweils vier) der Eintracht als aktiver Spieler miterleb hat. Wobei diese sportliche Sinuskurve der SGE sicher nicht an Nikolov allein festzumachen ist, schließlich war er stets ein verlässlicher Rückhalt für seine Mannschaft.

nikolov-pröllNikolov hat in Frankfurt schon viele Torhüter kommen und gehen gesehen. Und er hat sie bisher alle überlebt. Schon oftmals verpflichtete die Eintracht neue Stammtorhüter und wollte sie dem Urgestein vor die Nase setzen. So musste er sich zeitweise hinter Dirk Heinen und auch später Markus Pröll als Nummer Zwei abfinden, doch er kam immer wieder zurück. Im Falle Prölls profitierte Nikolov von dessen Verletzungen, so dass sich Pröll trotz teilweise überragender Leistungen auf lange Sicht nicht gegen ihn durchsetzen konnte. Auch junge, hoffnungsvolle Talente wie Ralf Fährmann oder Thomas Kessler in der abgelaufenen Saison scheiterten an ihm und mussten sich ihm allesamt geschlagen geben. Mit Kevin Trapp scheint nun allerdings ein Torwart verpflichtet worden zu sein, der Nikolov dauerhaft beerben könnte. Doch das hat man sich in Frankfurt schon oftmals gedacht und am Ende stand dann doch wieder Oka Nikolov im Tor.

Eine legendäre Leistung bot das Eintracht-Urgestein in einem Spiel bei den Bayern im Spätherbst 2007. Geschätzte zehn Sekunden nach Anpfiff kam Luca Toni frei vor dem Tor zum Abschluss, doch reaktionsschnell verhinderte Nikolov den schnellen Rückstand durch eine Glanzparade. Genauso sollte es die folgenden 90 Minuten weitergehen. Die Bayern hatten am Ende satte 40 Torschüsse zu Buche stehen, doch kein einziger fand den Weg ins Tor der Frankfurter, da Nikolov an diesem Tag schier nicht zu bezwingen war. Ich persönlich erlebte dieses Spiel live in der Münchener Allianz Arena. Trotz Dauerbeschuss des Eintracht-Gehäuses war ich das ganze Spiel über total relaxt, da mit einem Nikolov in dieser Verfassung einfach nichts anbrennen konnte. Wenn man sich die kicker-Noten zu diesem Spiel ansieht, weiß man, dass kein Torhüter ein Spiel mehr allein entscheiden kann, als Nikolov es in diesem Fall tat. Alle Feldspieler der Eintracht erhielten kollektiv Noten zwischen fünf und sechs. Oka aber hatte sich seine eins mit Sternchen redlich verdient und wurde natürlich auch zum „Mann des Tages“ gewählt. Doch leider bleibt Oka den Frankfurter Fansoka1 nicht nur durch solche fast übermenschlichen Taten in Erinnerung. Immer wieder streute er haarsträubende Patzer ein, die die Mannschaft oftmals wichtige Punkte im Kampf gegen den Abstieg kosteten. Von Ball durch die Hosenträger bis zu kläglichen Klärungsversuchen á la Manuel Neuer ist der treuen Seele der Eintracht schon so einiges widerfahren. Dennoch überwiegen klar die positiven sportlichen Momente und vor allem die Tatsache, dass man sich immer auf Nikolov verlassen kann, dass er immer sofort da ist, wenn man ihn braucht. Und deswegen lieben sie ihn in Frankfurt.

Überhaupt gibt es in der heutigen Zeit kaum mehr Spieler, die einem Verein so treu bleiben wie Nikolov. Ausnahmen wie auch Francesco Totti, der mittlerweile seit 20 Jahren bei den Profis der Roma kickt, bestätigen die Regel. So gesehen ist der „ewige Oka“ auch ein Antiheld des modernen Fußballs. Ein Außenseiter im Zeitalter der Millionenverträge. Während andere Profis wie Prostituierte von Bett zu Bett hüpfen, bleibt Oka seiner Eintracht treu. Natürlich ist es mit so einer launischen Diva wie der Eintracht nicht immer leicht, doch Nikolov ist der lebende Beweis, dass es möglich ist und sogar schön sein kann, Seite an Seite alle Höhen und Tiefen zu durchleben. Und schließlich ist der nicht zu verachtende Lohn dafür, dass sie ihn in Frankfurt für immer in ihr Herz geschlossen haben. Oka Nikolov ist die fleischgewordene Fußballlegende und zeigt, dass man auch ohne große Erfolge zum Helden werden kann. Zwar hat er nie einen Pokal gewonnen und auch eine Karriere in der mazedonischen Nationalmannschaft blieb ihm verwehrt, doch er ist in größerem Maße eine wahre Legende des Fußballs als man vielleicht denken möchte. Er lebt den Fußball und seine Werte mehr als so manch anderer Profi dieser Welt. Mehr als all die Ibrahimovics, Neymars und Balotellis dieser Welt zusammen.